München, 17.06.2024 (lifePR) – In einer neurologischen Klinik in München sitzt der 74-jährige Herr P., ein langjähriger Parkinson-Patient. Trotz seiner motorischen Einschränkungen genießt er eine gute Lebensqualität, bis ihn plötzlich psychotische Symptome heimsuchen. Er sieht Menschen, die nicht existieren, und ist fest davon überzeugt, dass er und seine Frau überwacht werden. Seine Geschichte ist kein Einzelfall, sondern spiegelt eine der größten Herausforderungen in der Behandlung der
Parkinsonkrankheit wider.
Parkinson, oft nur mit den typischen motorischen Symptomen wie Zittern und Bewegungsarmut in Verbindung gebracht, zeigt bei genauerem Hinsehen eine weit komplexere und belastendere Facette. Psychotische Symptome, wie Wahnvorstellungen und optische Halluzinationen, treten häufig bei Parkinson-Patienten auf und stellen eine immense Belastung für die Betroffenen und ihre Angehörigen dar. Während akustische Halluzinationen bei Schizophrenie dominieren, sind es bei Parkinson meist visuelle Halluzinationen, die die Patienten in Schrecken versetzen.
Dr. Alkomiet Hasan aus Augsburg und Dr. Johannes Levin aus München, führende Experten auf diesem Gebiet, erklären, dass die Prävalenz dieser Symptome bei Parkinson-Patienten erschreckend hoch ist. Schätzungen zufolge entwickeln 20-60 % der Betroffenen im Laufe ihrer Erkrankung psychotische Symptome. Besonders häufig treten diese im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit auf und sind einer der Hauptgründe, warum Patienten nicht mehr zu Hause, sondern in Pflegeeinrichtungen betreut werden müssen.
Die Ursachen sind vielfältig. Hauptsächlich werden die dopaminerge Ersatztherapie und eine Reihe weiterer Faktoren wie Alter, lange Erkrankungsdauer, Tagesmüdigkeit und Schlafstörungen genannt. Vor allem Medikamente zur Behandlung motorischer Symptome können psychotische Episoden auslösen. Hierbei sind insbesondere Amantadin, MAO-B-Hemmer, Dopaminagonisten und COMT-Hemmer kritisch.
Die Diagnostik dieser Symptome erfordert ein geschultes Auge und detaillierte Kenntnis der Risikofaktoren. Dr. Levin betont, dass fulminante psychotische Symptome oft eindeutig zu erkennen sind, während subtilere Formen eine gründlichere Untersuchung erfordern. Eine regelmäßige Abfrage von Symptomen und die Einbeziehung der Angehörigen sind essenziell.
Die Behandlung psychotischer Symptome bei Parkinson ist komplex und erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Nicht-pharmakologische Maßnahmen, wie die Optimierung des zirkadianen Rhythmus und die Aufrechterhaltung normaler Sinneseindrücke, sind erste Schritte. Doch oft reicht dies nicht aus.
Die pharmakologischen Strategien beginnen meist mit der Anpassung der Parkinsonmedikation. Eine Dosisreduktion oder die Veränderung der Medikamentenzusammensetzung kann helfen, jedoch besteht immer das Risiko einer Verschlechterung der motorischen Symptome. Sollte dies nicht ausreichen, kommen Antipsychotika wie Quetiapin und Clozapin zum Einsatz. Während Quetiapin weniger sedierend wirkt, gilt Clozapin als wirksamstes Mittel, bringt jedoch Risiken wie Agranulozytose und Myokarditis mit sich.
Ein besonders schwieriger Fall ist der von Herrn P. Trotz der Reduktion der L-Dopa-Dosis und der Verteilung auf mehrere Gaben besserten sich seine psychotischen Symptome nicht. Erst eine stationäre Behandlung und die gezielte Gabe von Clozapin brachte schließlich den ersehnten Erfolg. Doch die Therapie blieb nicht ohne Nebenwirkungen, die sorgfältig überwacht und gemanagt werden mussten.
Die Zukunft der Behandlung sieht Dr. Hasan auch in der Erforschung neuer antipsychotischer Substanzen und in der Elektrokonvulsionstherapie (EKT), die bei therapierefraktären Fällen von Parkinsonpsychosen angewendet werden kann. Obwohl diese Methoden vielversprechend sind, bleibt die umfassende und individuelle Betreuung der Patienten das A und O.
Die Berichte von Herrn P. und vielen anderen Patienten verdeutlichen, dass die Bekämpfung psychotischer Symptome bei Parkinson eine intensive und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Nur durch das Zusammenspiel von Neurologie und Psychiatrie und den Einsatz maßgeschneiderter Therapieansätze kann den Betroffenen wirkungsvoll geholfen werden.
Jürgen Zender, 27.05.2024
Quelle: Info Neurologie+Psychiatrie, 4/24